Was ist das Square Enix Collective? Wir sprechen mit dem Indie-Spielepublisher von Square Enix

Wir trafen uns mit Phil Elliott, Director of Indie Publishing, um einen Einblick in die Zusammenarbeit von Square Enix mit Indie-Entwicklern zu bekommen. Was bringt die Zukunft?
Von Duncan Heaney

Einige der interessantesten Indie-Spiele der letzten Jahre wurden von Square Enix veröffentlicht - von hirnzermürbenden Puzzlern wie The Turing Test bis zu emotionalen, erzählerischen Abenteuern wie Forgotton Anne.

Aber wie schaffen es Indies, dass ihre Spiele von uns auf den Markt gebracht werden? Was genau tut Square Enix Collective eigentlich?

Wir haben uns mit Phil Eliott, dem Director of Indie Publishing von Square Enix zusammengesetzt, um mal einen genaueren Blick auf das Square Enix Collective zu werfen und herauszufinden, wie und warum es mit Indie-Entwicklern zusammenarbeitet und was die Zukunft bringt.


Hallo Phil. Kannst du mit eigenen Worten beschreiben, was genau Square Enix Collective ist?

Im Endeffekt ist Square Enix Collective ein Dienstleister für Indie-Entwickler.

Wir helfen Indies, ihr Spiel zu veröffentlichen, unterscheiden uns dabei aber von klassischen Publishern. Das Spiel oder die Marke geht nämlich nicht in unseren Besitz über und die Entwickler haben weiterhin die gesamte kreative Kontrolle.

Unsere Rolle besteht darin, in Marketing und Kommunikation (unter Zustimmung der Indie-Entwickler) die Führung zu übernehmen und wo immer möglich Rat und Tat beizusteuern.

Ok, aber warum tut ihr das? Was bringt Square Enix Collective überhaupt?

(Laughs) Was wir bringen? Das ist aber eine etwas schroffe Frage!

Ich würde sagen, es gibt zwei Antworten. Erstens ist der Markt unglaublich dicht, und für Indies kann es schwer sein, mit ihren Spielen in den Blick der Leute zu geraten. Wir wollen den Indies helfen, ein tragfähiges Business innerhalb des Indie-Segments zu schaffen, und unsere Ressourcen, Kontakte und einfach auch der Name Square Enix helfen uns dabei.

Und was bringt uns das? Hier kommt Punkt 2 ins Spiel: In der unabhängigen Entwicklung gibt es die meisten Innovation und die größte Kreativität.

Games sind ein kreatives Medium - neue Ideen, frisches Denken und aufstrebende Talente sind notwendig, damit der Markt floriert. Und ein florierender Markt ist gut für uns alle.

Wenn wir also zur Kreativität in der Spieleindustrie beitragen, dann helfen wir auch uns selbst. Und deshalb gehen alle unsere Gewinne direkt zurück in die Indie-Entwicklung.


Wie passt Square Enix Collective in die größere Struktur des Unternehmens? Handelt es sich um eine eigenständige Abteilung?

Wir sind ein hundertprozentiger Teil von Square Enix, aber wir arbeiten als getrennte Einheit. Wir haben die Flexibilität eines Start-ups, aber die Vorteile, die es mit sich bringt, Teil eines größeren Unternehmens zu sein - beispielsweise Teams für Qualitätssicherung, Vertrieb und so weiter.

Wir besitzen jede Menge Autonomie bezüglich der Art, wie wir unsere Aufgabe erfüllen. Wir entscheiden selbst, nach welchen Projekten wir suchen und welche Entwickler wir unter Vertrag nehmen. Wir sind ein experimentelles Team - wir können Sachen ausprobieren, die größeren Unternehmen schwerer fallen würden.

The Turing Test (2016)


Wie entstand Square Enix Collective eigentlich?

Die Idee stammte ursprünglich von Square Enix-Geschäftsführer Matsuda-san und seinem Wunsch, neue Teile des Markts zu erkunden, einschließlich solcher Sachen wie Crowdfunding und Community-Entwicklung. Als Collective im Jahr 2014 startete, war es eine Kombination all solcher Sachen.

Im Lauf der Zeit wandelte sich der Fokus. Nun helfen wir, neue Talente zu finden und zu fördern, und wir helfen diesen Indie-Entwicklern dabei, eine rentable Geschäftstätigkeit aufzubauen.

Und wenn wir ein Team finden, das wir mögen, dann versuchen wir, ein weiteres Mal mit ihm zu arbeiten und es vielleicht sogar - wenn es das Team will - an einer Square Enix-Marke arbeiten zu lassen.

Letztes Jahr investierten wir beispielsweise in Bulkhead Interactive, das Team, das The Turing Test und Battalion 1944 gemacht hat, und haben sie mit der Arbeit an einem echten Square Enix-Projekt beauftragt.


An welchem denn?

(Lacht) Abwarten!

Goetia (2016)


Mann! Na gut. Wie lange gibt's Square Enix Collective dann schon?

Wir haben 2014 angefangen, nicht als Publisher, sondern in Form einer Website, auf der wir die Square Enix-Community um Feedback zu vorgestellten Projekten bitten konnten. Die Idee dahinter war, dass wir Entwicklern helfen konnten, schon vor dem Crowdfunding eine Community oder Gefolgschaft aufbauen zu können.

Die nächste Phase war die direkte Unterstützung von Crowdfunding. Wir halfen Entwicklern, die Validität der Kosten, transportierten Botschaften, Beitragsstufen und so weiter zu überprüfen - um damit potenziellen Unterstützern zu versichern, dass das Projekt auch wirklich tragfähig ist. Und auch, um dem Spiel Aufmerksamkeit zu verschaffen. Während dieser Zeit haben wir, glaub ich, in zwölf Projekten 1,2 Millionen US-Dollar eingesammelt.

Zum Jahresende 2015 begannen wir dann, nach Projekten zum Veröffentlichen zu suchen. Der erste Titel, der unsere Unterstützung hatte, war Goetia, ein Point&Click-Horrorspiel. Danach kam The Turing Test und dann ging's immer weiter.


Wie hat sich Square Enix Collective über die Jahre hinweg verändert?

In der Spieleindustrie verändern sich die Gegebenheiten ständig, und wir wachsen und entwickeln uns entsprechend. Mit jeder Veröffentlichung lernen wir mehr, und dieses Wissen wird den Entwicklern, mit denen wir zusammenarbeiten, zurückgegeben, um deren Projekte und Geschäfte zu unterstützen.

Wir sind uns sehr darüber bewusst, dass Indies gewaltige kreative Risiken auf sich nehmen, und es sind genau diese Ideen, die die Industrie nähren und in Spiele mit größeren Budgets einfließen.

Während also unsere Art zu arbeiten sich mit dem Markt verändert, bleiben die Grundlagen unverändert. Vor allem muss das, was wir tun, einen Nutzen haben für die Teams, mit denen wir arbeiten.

Tokyo Dark (2017)


Wie findet ihr Spiele, in die ihr investieren könnt?

Als wir Collective zum ersten Mal ankündigten, mussten wir ganz schön herumforschen. Wir waren das unbekannte Etwas eines großen Publishers, mussten uns also selbst beweisen.

Jetzt haben wir in drei Jahren zwölf Spiele veröffentlicht, und wir haben uns einen guten Ruf aufgebaut. Wir suchen zwar immer noch nach Talenten - auf Veranstaltungen zum Beispiel - aber die Leute kommen jetzt auch zu uns.

Wir bekommen auch Empfehlungen von Teams, mit denen wir gearbeitet haben, und sogar von anderen Publishern, die ein tolles Projekt oder Team kennengelernt haben, aber nicht die Kapazität dafür haben.


Wie geht die Zusammenarbeit mit den Entwicklern vonstatten?

Sie beginnt mit einem Pitch, also der Vorstellung des Projekts, entweder persönlich oder über E-Mail.

Wenn wir es gut finden, beginnen wir, über die Vertragsbedingungen zu diskutieren. Wie sich das gestaltet, hängt ganz davon ab, mit wem wir zusammenarbeiten, aber wenn jeder zufrieden ist und die ganzen rechtlichen Sachen unter Dach und Fach sind, dann ist alles startklar.

Wir setzten einen Produzenten auf das Projekt, der dem Team bei allen nötigen Aufgaben hilft - von der Unterstützung beim Strukturieren des Teams bis zu Ratschlägen, wie man mit der Community interagiert. Die Produzenten helfen den Entwicklern auch, mögliche Probleme zu identifizieren, damit sie vor bösen Überraschungen verschont bleiben.

Wir betreuen die Indies auf der Business-Seite und auch bei rechtlichen Themen, so wie dem Einreichen des Spiels beim Plattforminhaber, und wir helfen ihnen, all diese Herausforderungen in den Griff zu bekommen.

Wir liefern Rat und Feedback, und das kann dem Team dabei helfen, gute Geschäfte zu machen und kreative Entscheidungen zu treffen. Sie müssen natürlich keinen unserer Ratschläge annehmen - schließlich gehört uns die Marke nicht - aber prinzipiell verstehen sie, dass wir versuchen, ihnen zu helfen.

Wenn wir unseren Job vernünftig machen, dann helfen wir den Teams, bei zukünftigen Projekten besser zu werden - ob die nun mit oder ohne uns stattfinden.


Wie stark mischt ihr euch ein?

Es würde keinen Sinn machen, mit Indies zu arbeiten, wenn wir dächten, wir wären besser als sie. Wenn wir ihnen genau sagen, was sie tun sollen, dann können wir auch gleich selber unsere Spiele machen.

Unser Rat ist immer nur ein Rat - außer bei rechtlichen Angelegenheiten natürlich. Letztlich wollen wir, dass sie von unserer Erfahrung profitieren, aber wir wollen sie immer noch das Spiel machen lassen, das sie machen wollen.

Forgotton Anne (2018)


Gibt es Herausforderungen bei der Zusammenarbeit zwischen euch und den Indie-Entwicklern?

Manchmal, klar. Entwickler sind oft sehr leidenschaftlich. Das Spiel ist ihr Baby, ein sehr wertvolles Etwas, für das wir Verantwortung übernehmen.

Wir arbeiten mit vielen Teams zum ersten Mal zusammen. Wenn du mit jemand einen Vertrag abschließt, dann weißt du nicht automatisch, wie er mit den Herausforderungen und dem Stress des Entwickelns zurechtkommt. Zu sehen, wie Teams in solchen Situationen reagieren, ist sehr interessant.

Es geschieht zwar nicht oft, aber beizeiten kann ein Entwickler eine Entscheidung treffen, ob auf der geschäftlichen oder kreativen Seite, von der wir abraten. Wir artikulieren unsere Bedenken und erläutern unsere Gedanken dahinter, aber letztlich hat das Team das letzte Wort und das müssen wir respektieren.

Auf unserer Seite ist die Steuerung der Erwartungen schwierig. Unterschiedliche Teams haben unterschiedliche Erwartungen, und wir müssen realistisch bleiben bei dem, was wir für sie tun können.

Zum Beispiel stellte uns mal ein Team ein Spiel vor, von dem sie glaubten, dass sie eine Millionen Einheiten verkaufen würden. Sie waren geschockt und enttäuscht, als wir ihnen sagten, dass das für einen debütierenden Indie-Entwickler ziemlich unwahrscheinlich wäre.


Was waren die größten Erfolge des Square Enix Collective?

Ein früher großer Erfolg war The Turing Test. Als Bulkhead Interactive mir das Spiel zum ersten Mal zeigten, war es nur eine unscheinbare Demo. Die visuelle Aufbereitung zum Schluss war eine schöne Überraschung.

Das Team ersann diesen wirklich netten Puzzlespiel-Kern, ein simples Konzept, das vielfach abgewandelt werden konnte, und hat darum eine gute Story gebaut. Für so eine Art Spiel war damals auch gerade eine gute Zeit - Portal war immer noch frisch in den Köpfen und das Genre nicht so überflutet. Insgesamt also: Tolle Idee, sah nett aus, großartiges Spiel.

Forgotton Anne war ein weiterer Hit für uns. Das ist ein wirklich starker Titel, was sich auch in den Preisen und Nominierungen zeigt, die er seit seiner Veröffentlichung eingeheimst hat.

Auch dieses Spiel sieht wunderschön aus. ThroughLine Games haben den Look genau hinbekommen - bis zur Senkung der Bildrate, um dem visuellen Stil zu entsprechen, auf den sie aus waren.

Und die Story … Ein Spiel kann zauberhaft aussehen, aber ohne Substanz hat es keine Bedeutung, oder? Forgotton Anne erzählte eine großartige, zum Denken anregende Geschichte mit ein paar tollen Kniffen.

Battalion 1944: Eastern Front (2019)


Noch irgendwas?

Auch Battalion 1944 ist es wert, genannt zu werden. Die Idee eines klassischen 2.-Weltkriegs-Shooters beflügelte wirklich die Phantasie der Unterstützer auf Kickstarter (damit hatten wir nichts zu tun). Als das Team sich an uns wendete, war es aufregend, miteinbezogen zu werden. Jetzt ist der Titel aus der Early Access-Phase heraus und gut gestartet. Ich bin wirklich gespannt, wie das weiter geht.


Was macht ein perfektes Square Enix Collective-Spiel aus?

Das ändert sich im Lauf der Zeit. Aktuell suchen wir zum Beispiel nach einem top Einzelspieler-Titel, oder etwas wie einem persistenten Multiplayer-Spiel oder einem Dienstmodell, das über Jahre hinweg Bestand hat.

Aber gutes Spiel ist gutes Spiel, nicht? Ein 'perfektes Spiel' läuft immer auf einen gut gemachten Titel eines talentierten und leidenschaftlichen Entwicklers hinaus.

CIRCUIT SUPERSTARS (coming 2020)


Was kommt als nächstes vom Square Enix Collective?

Insgesamt beschäftigen wir uns mit einer geringeren Zahl von Spielen, dafür aber größeren Projekten. Hinter den Kulissen arbeiten wir an ein paar wirklich coolen Sachen.

Was die unmittelbare Zukunft angeht - wir haben gerade CIRCUIT SUPERSTARS angekündigt - ein neues Rennspiel von Original Fire Games. Davon bin ich ziemlich begeistert, das ist ein charmanter Titel eines Familienteams und ganz einfach irre spaßig zu spielen. Das Spiel sollte irgendwann 2020 rauskommen.


Und damit endet unser Interview mit Phil. In Zukunft werden wir euch mehr Neuigkeiten vom Square Enix Collective liefern, aber jetzt solltet ihr erstmal herausfinden, bei welchen großartigen Indie-Titeln das Collective seine Hand im Spiel hatte:

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